Das erste Schulungs- und Beratungszentrum für nachhaltiges Kochen ist ins Munich Urban Colab eingezogen. Das Haus der Kost vom städtischen Referat für Klima-und Umweltschutz begleitet, coacht und berät kostenlos und unabhängig Küchenteams von Firmen, Kindergärten, Kitas und Schulen. Der Name ist Programm – nicht nur um die Kost, also das Essen selbst geht es seit 2024 in der Schulungsküche im Munich Urban Colab, sondern auch um das kost-bare Gut Nahrung, ums Verköstigen sowie den kost-baren Umgang und Wertschätzung für Lebensmittel.
2020 wurde das Konzept nach einem entsprechenden Stadtratsbeschluss beauftragt. München hat parteiübergreifend das Ziel, mehr Bio-Lebensmittel aus der Region vom Acker auf die Teller zu bringen. Denn: „Ernährung hat einen großen Einfluss auf Biodiversität. Als Hebel wurde die Außer-Haus-Verpflegung ausgemacht“, erklärt Silke Brugger, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Karoline Stojanov das „Haus der Kost" leitet. Durch die täglichen Mengen, die in Kantinen zubereitet und verteilt werden, ließe sich eine hohe Wirkung erzielen, sagt die Ernährungswissenschaftlerin. Erfolgreiche Vorbilder sind das „Madhus“ in Kopenhagen oder die „Kantine Zukunft“ in Berlin, wo allein im vergangenen Jahr rund 50 Küchen umgestellt wurden.

„Wir wollen diejenigen erreichen, die die Ernährungswende auf dem Teller umsetzen sollen“, berichtet Brugger. Die Beratung und Begleitung stehe den Küchenteams, die den Anteil an Bio-Lebensmitteln aus der Region steigern wollen, kostenlos zur Verfügung. „Die Coaches sind selbst Köche, so funktioniert der Austausch auf Augenhöhe.“ Auch die Vernetzung mit anderen Akteurinnen und Akteuren soll gefördert werden. „Das Munich Urban Colab ist aus unserer Sicht der ideale Ort dafür, denn hier hat sich bereits ein Knotenpunkt für Start-ups, Wirtschaftsförderung der Stadt und viele andere entwickelt, die an Lösungen für die Stadt der Zukunft arbeiten“, so Brugger. So könne tatsächlich eine „Drehscheibe für die Ernährungswende“ entstehen.
»Wir wollen das Neue nicht überstülpen«
Konkret werden im gesamten Prozess jedem Küchenteam Coaches und Berater*innen für sechs bis zwölf Monate zu Seite gestellt. Gemeinsam werden Maßnahmen entwickelt – vom individuellen Koch-Workshop über Speeddating für neue Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Großküchen bis hin zur Unterstützung in der Kommunikation mit den Tischgästen. „Das Angebot richtet sich an Küchen städtischer, aber auch nicht städtischer Trägerschaft aus den Bereichen Business, Education und Care“, so Brugger. Die Botschaft ist: „Zeigen, was möglich ist.“ Dabei gehe es nicht darum, Bestseller wie Currywurst oder Schnitzel komplett zu streichen. „Aber wir wollen schon zeigen, wie gut zum Beispiel eine gesunde Bowl schmecken kann.“ Der Schlüssel sei der Geschmack, und hier speziell das „Umami“ – und das steckt eben nicht nur in den Röstaromen von Fleisch, sondern auch in Tomaten, Zwiebeln und Pilzen.

„Wir wollen das Neue nicht überstülpen, sondern alle durch Gespräche und positive Erlebnisse mitnehmen“, macht Silke Brugger klar. Dabei helfe auch das offene und moderne Ambiente im „Haus der Kost". „Die Küchenteams, die ins Munich Urban Colab kommen, sind begeistert von der Architektur und dem Raum. Hier fühlen sie sich wertgeschätzt.“
Die Verwendung von Bio-Lebensmitteln spielt für Silke Brugger und ihr Team bei der Umstellung die entscheidende Rolle. „Unser Trinkwasser in München hat auch deshalb so eine hohe Qualität, weil die Landwirte im Mangfalltal auf Bio-Produktion setzen“, weiß Brugger. Zwar werde eine Umstellung in den Kantinen, u. a. aus Kostengründen, nicht 1:1 von konventionellen Lebensmitteln auf Bio-Zutaten funktionieren. Aber auch durch die Verwendung saisonaler Zutaten, die konsequente Verwertung von Resten oder mit dem Ansatz „Nose to Tail“ – also der Verwendung aller Tier-Bestandteile - werden Ressourcen geschont. Pflanzliche Proteine aus Soja oder Linsen bringen ebenfalls gesunde Abwechslung.
„Wir können uns jeden Tag mehrmals entscheiden, wie wir essen“, so der Leitsatz von Silke Brugger. Doch in vielen Haushalten wird kaum noch frisch gekocht, immer mehr Menschen setzen seit Corona auf Lieferdienste. Außerdem steigen die Kosten für Obst und Gemüse.

„Bio aus dem Discounter ist völlig in Ordnung, aber durch den Kauf im Bioladen fördert man zusätzlich kleinere Höfe und Strukturen“, erklärt die Expertin. „Wir hoffen, dass wir mit unserer Arbeit Inspirationen für das Kochen zuhause schaffen können“, hofft Silke Brugger, die sich selbst immer wieder weiterbildet und die Vernetzung sucht. Sie achtet auf die „Planetary Health Diet“ – einen Speiseplan, der nicht nur gut für die eigene Gesundheit, sondern auch gut fürs Klima ist. Ob auf der Messe Biofach in Nürnberg, der Grünen Woche in Berlin oder der täglichen Arbeit im „Haus der Kost", Silke Brugger sieht die steigende Tendenz in Richtung flexitarischer oder pflanzenbasierter Kost. Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Nachfrage nach biologisch angebauten Lebensmitteln steigt, die Flächen zum Anbau jedoch nicht entsprechend schnell umgestellt werden. 14,2 Prozent der deutschen Höfe arbeiteten 2024 im Bio-Modus. „Selbst die Wiesn hat inzwischen eine Bio-Wertschöpfungskettenmanagerin. Es ist eine große Aufbruchstimmung und wir hoffen sehr, dass wir in unserem kleinen kommunalen Wirkbereich wirken und begeistern können.“
Dieser Artikel ist im Colab Quarterly mit dem Schwerpunkt Biodiversität erschienen.