Digitalisierung in der Pflege: Innovative Lösungen für heute und morgen entstehen in München

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Immer mehr Menschen in Deutschland benötigen Pflege, doch immer weniger Pflegekräfte stehen dafür bereit – wie kann Technologie den Betroffenen und den Beschäftigten der Branche helfen? Antworten und Vernetzungsmöglichkeiten bietet die Konferenz „digital health & care“, für die das Munich Urban Colab gemeinsam mit dem Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München in Co-Creation mit Start-ups, Institutionen wie dem LMU-Klinikum, der Wir!-Stiftung pflegender Angehöriger und weiteren Expert*innen aus dem Bereich Gesundheit und Pflege einmal im Jahr Bühne und Vernetzungsplattform bietet. Start-ups zeigen hier ihre innovativen Lösungen. Interaktive Workshops, Vorträge und Diskussionen runden das Programm ab.

„Damit neue Ansätze noch besser werden und in die Anwendung kommen, dafür braucht es Austausch auf Augenhöhe, den die Konferenz bietet. Das Munich Urban Colab bietet dafür den perfekten Ort mit einer offenen Atmosphäre für den vertrauensvollen Austausch der Akteurinnen und Akteure“, sagt Claudia Frey, CEO des Munich Urban Colab.

Start-ups nehmen Schlüsselrolle ein

Digitale Lösungen können in der Pflege aktivieren, Pflegende entlasten und mehr Zeit für die menschliche Fürsorge bieten. Start-ups spielen in der Entwicklung eine tragende Rolle. Voraussetzung: Die Lösungen orientieren sich am Bedarf derjenigen, die auch damit arbeiten und sie nutzen. „Wir benötigen digitale Tools und Plattformen, die daran ausgerichtet sind, was pflegebedürftige Menschen und die Pflegenden im Alltag tatsächlich brauchen“, betonte die bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention Judith Gerlach in ihrem Grußwort bei ihrem Besuch der „digital health & care“ im Sommer 2024.

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Judith Gerlach, Bayerns Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention, kündigte in ihrem Grußwort auf der Konferenz 2024 die bayerische „Highcare-Agenda“ an.

Virtuelles Training für potenzielle Fachkräfte

Mit Datenbrillen und Anwendungen in der virtuellen (VR) oder erweiterten (AR) Realität sind Start-ups wie StellDirVor schon heute im Einsatz. Das Unternehmen trainiert Pflegekräfte im virtuellen Raum, etwa in der medizinischen Weiterbildung. Aber auch die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland wird mit dem Eintauchen in digitale Welten erleichtert.

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Bei der Messeausstellung konnten Teilnehmende die Lösungen selbst auszuprobieren - wie die Anwendung von StellDirVor.

So wissen die Interessierten, was auf sie zukommt und können sich schon im Vorfeld ein Bild ihres möglichen Arbeitsplatzes machen. „Über immersive Technologien und Assistenzsysteme, die sprachunabhängig genutzt werden können, sind wir beispielsweise schon in der Präqualifizierung von Fachkräften aktiv“, berichtet Alexandra Messerschmidt von StellDirVor.

Digital Product School und Caritasverband: Mehr Zeit für die Menschen

„Wäre es nicht toll, wenn unsere Pflegekräfte weniger für die Dokumentation aufbringen müssten und dadurch wieder mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten hätten?“ Mit dieser Frage wandte sich der Verband, der 25.000 ambulante und stationäre Einrichtungen unterhält, im Frühjahr 2023 an die Digital Product School (DPS) von UnternehmerTUM.

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Start-up-Pitches: Dylan Sean Gruner, Gründer von CareMates, und viele weitere Start-ups stellten ihre innovativen Ansätze vor.

In nur drei Monaten entwickelte ein Team aus Talenten einen Prototyp, der das zeitaufwendige Aufnahmeverfahren von pflegebedürftigen Personen digitalisiert und vereinfacht. Gestartet als Team, mittlerweile herangewachsen zum Start-up, verbessert CareMates heute nicht nur die Versorgung, sondern erzielt auch eine Zeitersparnis von bis zu vier Stunden pro Patientin und Patient. „Wir mussten in der Zusammenarbeit oft über unseren eigenen Schatten und unsere Strukturen springen“, thematisierte Lena Wirthmüller vom Caritasverband das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Kulturen in der Sozialwirtschaft und in Start-ups. Aber: „Es macht Spaß, neue Dinge auszuprobieren, Prototypen zu testen und sich mal was zu trauen“. Dylan Sean Gruner, Gründer von CareMates unterstreicht, wie wichtig eine Partnerschaft auf Augenhöhe und der Zugang zu Ressourcen sei. Das Team konnte beispielsweise Pflegekräfte in ihrem Alltag begleiten und wichtiges Wissen über ihren Alltag sammeln. „Wir waren super dankbar, dass uns die Caritas die Türen geöffnet hat.“

Zeitersparnis und Unterhaltung – konkreter Tech-Nutzen im Münchenstift

Wie die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Pflegeeinrichtungen ganz praktisch aussehen kann, beweisen Karin Bernecker, Leitung Zentrale Qualität beim Münchenstift und Christoph Schneeweiß, Gründer von CareTable – einem beweglichen Aktivitätstisch, der einem überdimensionierten Tablet-Computer gleicht. Mit dem Tisch können Bewohnerinnen und Bewohner des Münchenstifts beispielsweise ihre Sinne trainieren oder mit ihren Familien sprechen. Der CareTable gehört dabei zu einem ganzen Strauß an digitalen Tools, die Münchenstift inzwischen einsetzt – von smarter Dokumentation über mobile Endgeräte über Sturzerkennungssensoren bis hin zum Aktivitätstisch reichen die Angebote, die über ein eigenes Glasfasernetz und flächendeckendem WLAN verteilt und genutzt werden können. „Allein die smarte und mobile Dokumentation spart in den acht Häusern, in denen wir das Tool bereits einsetzen, mehr als eine Stunde administrativer Arbeit ein“, berichtete Bernecker.

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Mehr als 100 Teilnehmende aus Pflege-Praxis, Wissenschaft und Wirtschaft waren 2024 zu Gast im Munich Urban Colab

Für Gründer Christoph Schneeweiß ist die Zusammenarbeit mit Münchenstift, die 2022 begonnen hat, ein wichtiges Referenzprojekt. Mehr als 1000 Pflegeeinrichtungen in der DACH Region sowie in Luxemburg oder Italien nutzen den CareTable bereits. Aber, so die Erfahrung: „Die Beschaffung dauert und wird oft über kreative Wege finanziert.“ Inzwischen hat das Start-up aus der Not eine Tugend gemacht und eine eigene Abteilung für Fördermittelmanagement aufgebaut.

Roboter als Zuhörer und aufmerksame Begleiter

Die großen Kulleraugen schauen geduldig und schließen sich kurz, bevor die leicht metallische Antwort ertönt. „In Pflegeheimen kann ich den Bewohnern Gesellschaft leisten, mit ihnen plaudern und ihnen bei verschiedenen Aktivitäten helfen. Ich kann zum Beispiel Spiele spielen, Rätsel lösen oder einfach nur zuhören, wenn jemand seine Geschichten und Erfahrungen teilen möchte“, erklärt der Roboter Navel. Er ist kaum einen Meter groß, doch er bringt die geballte Kraft generativer KI mit – das heißt etwa, dass er auf Fragen und Bemerkungen die passende Antwort parat hält. Und: Er hat jede Menge Zeit - ein knappes Gut bei pflegenden Angehörigen und Pflegekräften. Noch liegt der Preis des kleinen Zuhörers, den die Entwickler von Navel Robotics als sozialen Roboter der nächsten Generation bezeichnen, im fünfstelligen Bereich. Hier müssen Einrichtungen bei der Finanzierung neue Wege gehen und Ressourcen gezielt bündeln.

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Roboter Navel kann mit Bewohnern in Pflegeheimen plaudern oder ihnen bei Aktivitäten helfen.

Auch das Münchner Start-up Devanthro arbeitet mit den neuesten Technologien. Durch die Kombination von Robotik, KI, AR und 5G entstehen menschliche Roboter-Avatare, sogenannte Robodies, die es ihrem Benutzer ermöglichen, seine Sinne, Handlungen und seine Anwesenheit an jeden Ort der Welt zu teleportieren. „Robodies sind Multiplikatoren für das Pflegepersonal, die mit lokalen Helfern zusammenarbeiten können, um rund um die Uhr Schutz und Unterstützung zu bieten und gleichzeitig den persönlichen Kontakt zu den Menschen in der Gemeinschaft zu pflegen“, beschreibt Gründer und CEO Rafael Hofstettler. Die Avatare können beispielsweise an die Einnahme von Medikamenten erinnern.

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Der Robody von Devanthro

Erfolgsstory wird fortgeschrieben

Die Resonanz der digital health & care Konferenz wächst in jedem Jahr. Auch 2025 wird das Munich Urban Colab der Ort für die branchenübergreifende Vernetzung und die Weiterentwicklung neuer Lösungen sein.

„Gesundheit und Pflege sind große urbane Herausforderungen unserer Zeit – auch in München. Die ‚digital health & care‘ zeigt, wie wichtig fachübergreifende Plattformen sind, um konkret an Problemen zu arbeiten, Berührungsängste abzubauen und Pflegende direkt in die Lösungsentwicklung einzubeziehen“, sagt Julia Christiansen aus dem Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München. Gemeinsam mit Dr. Horan Lee verantwortet sie die Konferenz seitens der Stadt. „Um die beschäftigungspolitischen Herausforderungen in der Pflege anzugehen, braucht es nicht nur digitale Lösungen, sondern auch qualifizierte Menschen, die sie kompetent einsetzen können. Die Konferenz knüpft hier thematisch an das Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm (MBQ) und die darin bereits umgesetzten Pflegeprojekte an. Das Munich Urban Colab bietet für unseren Co-Creation-Ansatz den perfekten Rahmen. Der engagierte Austausch zeigt, dass wir hier den richtigen Weg gehen.“