„Innovation entsteht aus der Freiheit der Gedanken“ Clemens Baumgärtner im Interview

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Colab Quarterly Clemens Baumgaertner Copyright Alexander Gutzmer

Das Nachdenken über die kreative Stadt hat auch eine klar ökonomi- sche Komponente, das Stichwort: Kreativwirtschaft. Für letztere ist in München Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner zuständig. Grund genug für Sabine Hansky und Alexander Gutzmer, ihn in seinem Büro am Sendlinger Tor zu besuchen – und ihn beim tollen Blick über die Stadt zu deren Creative Economy zu befragen.

Alexander Gutzmer: Herr Baumgärtner, Sie kommen gerade von der South by Southwest in Austin, einer Art Weltmesse der Creative Economy. Was waren Ihre Eindrücke?

Das ist ja ein wirklich spannendes Phänomen – eine Innovationsmesse in einem sehr konservativen Bundesstaat. Über ganze Straßenzüge sind die Veranstaltungen verteilt. Ein bisschen ähnelt die South by Southwest der IAA in unserer Innenstadt, mit dem Unterschied, dass die Präsenz im Stadtbild da drüben niemand kritisiert.

Gutzmer: Ist die Veranstaltung so einzigartig wie ihr Ruf?

Nicht immer. Klar, da gibt es alles, zu jedem Thema zeigen sich Start-ups mit einer kreativen Lösung. Aber die meisten Firmengründungen aus den USA kochen auch nur mit Wasser. Und unser Start-up Reverion, das sich dort präsentiert hat, kann allemal mithalten. Leider haben sie im Pitchwettbewerb nicht gewonnen.

Sabine Hansky: Warum nicht?

Die Präsentation des Gewinners war einfach stark. Wir Deutschen tun uns manchmal etwas schwer damit, Werbung für uns selbst zu machen. Auch München hat hier Nachholbedarf.

Hansky: Vielleicht wird die Stadt weltweit auch zu sehr mit dem Oktoberfest verbunden?

Da sehe ich keinen Widerspruch. Das Oktoberfest ist klar positiv konnotiert. Gemütlichkeit und Technologiezentrum schließt sich doch nicht aus. Es gehört sogar zusammen. Eines der größten Bierfeste der Welt findet im chinesischen Qingdao statt. Niemand würde sagen, dass Qingdao deshalb nicht technologisch innovativ ist.

Gutzmer: Qingdao ist auch ein wichtiges Forschungscluster – wie München in Deutschland.

Stimmt, in Sachen Forschung brauchen wir uns sicher nicht zu verstecken. Gerade unsere Forschungsinstitute sind hier zu nennen. Aber manchmal könnten diese noch etwas wirtschaftsnäher agieren. Mitunter stehen sich Max Planck oder Fraunhofer selbst etwas im Weg.

Portrait Baumgaertner Privat
München hat ein Wahrnehmungsproblem. Die Stadt gehört zu den erfolgreichsten Standorten der Kreativwirtschaft, aber keiner weiß darüber richtig Bescheid.
Clemens Baumgärtner

Hansky: Sie forschen, bringen ihre Erkenntnisse aber zu wenig auf die Straße.

Da können die Institute sich bei der UnternehmerTUM etwas abschauen. Ganz wichtig: Der Wissenstransfer hängt nicht zuletzt an Personen, an Persönlichkeiten. Die Institute verheddern sich manchmal in ihren politischen Ränkespielen. Es fehlt jemand, der mal mutige Entscheidungen fällt, zum Beispiel einen exzellenten Professor durchboxt, auch wenn dieser nicht bei allen beliebt ist.

Hansky: Kommen wir mal zur Kreativwirtschaft im engeren Sinn. Wie sehen Sie hier die Position Münchens?

Auf jeden Fall sehr positiv. München hat leider ein Wahrnehmungsproblem. Die Stadt gehört zu den erfolgreichsten Standorten der Kreativwirtschaft, aber keiner weiß darüber richtig Bescheid. Als Stadt haben bei diesen Themen eine doppelte Berührungslage, weil das Kulturreferat für klassische Kulturformen wie Theater zuständig ist, wir vor allem für die Kreativwirtschaft. Aber beides hängt zusammen. Und der Austausch funktioniert meist gut. Das Munich Urban Colab ist das beste Beispiel hierfür. Das Thema Smart City hängt eben eng mit Stadtkultur zusammen.

Gutzmer: Womit wir dann auch bei Richard Florida und seiner Idee der Creative Class wären.

Richtig. Man muss sich in einer Stadt wohlfühlen, dann kommen auch die Unternehmer mit ihren Ideen. Dafür braucht es Kultur. Und Kultur heißt ja nicht nur Oper, sondern umfasst im weitesten Sinn die Lebensqualität einer Stadt. Hier liegt sicher eine Stärke Münchens. Und: Zu Kultur gehören auch bayrische Blasmusik und gutes Essen. Von starren Beschränkungen halte ich hier gar nichts.