Hansky: Sie forschen, bringen ihre Erkenntnisse aber zu wenig auf die Straße.
Da können die Institute sich bei der UnternehmerTUM etwas abschauen. Ganz wichtig: Der Wissenstransfer hängt nicht zuletzt an Personen, an Persönlichkeiten. Die Institute verheddern sich manchmal in ihren politischen Ränkespielen. Es fehlt jemand, der mal mutige Entscheidungen fällt, zum Beispiel einen exzellenten Professor durchboxt, auch wenn dieser nicht bei allen beliebt ist.
Hansky: Kommen wir mal zur Kreativwirtschaft im engeren Sinn. Wie sehen Sie hier die Position Münchens?
Auf jeden Fall sehr positiv. München hat leider ein Wahrnehmungsproblem. Die Stadt gehört zu den erfolgreichsten Standorten der Kreativwirtschaft, aber keiner weiß darüber richtig Bescheid. Als Stadt haben bei diesen Themen eine doppelte Berührungslage, weil das Kulturreferat für klassische Kulturformen wie Theater zuständig ist, wir vor allem für die Kreativwirtschaft. Aber beides hängt zusammen. Und der Austausch funktioniert meist gut. Das Munich Urban Colab ist das beste Beispiel hierfür. Das Thema Smart City hängt eben eng mit Stadtkultur zusammen.
Gutzmer: Womit wir dann auch bei Richard Florida und seiner Idee der Creative Class wären.
Richtig. Man muss sich in einer Stadt wohlfühlen, dann kommen auch die Unternehmer mit ihren Ideen. Dafür braucht es Kultur. Und Kultur heißt ja nicht nur Oper, sondern umfasst im weitesten Sinn die Lebensqualität einer Stadt. Hier liegt sicher eine Stärke Münchens. Und: Zu Kultur gehören auch bayrische Blasmusik und gutes Essen. Von starren Beschränkungen halte ich hier gar nichts.
Gutzmer: Kultur bedeutet auch, dass die unterschiedlichen Schichten einer Stadt einen Weg finden, sich auszutauschen. Verharrung in eigenen Blasen wäre das Gegenteil davon.
Und hier hat München schon einen guten Nährboden. Übrigens ist dies ein Punkt, an dem ich mit Florida nicht übereinstimme: Sein Kulturbegriff bezieht sich primär auf bestimmte Eliten. Um die geht es aber nicht nur. Kultur muss für alle da sein – dann kann eine Stadt als Creative City gelten. Und das haben wir hier. Wo sonst können Sie am Sonntag für einen Euro in Weltklasse-Museen gehen wie bei uns in die Pinakothek der Moderne?
Hansky: Und da geht dann eben auch der BMW-Ingenieur hin.
Genau, die Unternehmen und ihre Köpfe haben ein Interesse an Kultur. Übrigens ist die BMW-Welt das meistbesuchte Tourismusziel Bayerns, noch vor den bayrischen Schlössern. BMW ist dabei einer der wichtigsten Förderer der Staatsoper. Die Interaktion von Wirtschaft und Kultur hält diese Stadt lebendig. Und wir fördern diesen Austausch – nicht zuletzt mit unserem Kompetenzteam Kultur und Kreativwirtschaft.
Hansky: Auch wir im Colab merken, wie wichtig dieser Austausch ist. Denn so entsteht Innovation. Das ist ja sicher auch der Grund, weshalb die Stadt das Colab neben das Kreativquartier positioniert hat.
Wobei ich glaube, dass diese Vernetzung in München fast selbstverständlich ist. Diese Stadt praktiziert eben den freien Austausch, den Austausch freier Geister. Dazu gehört auch, dass die Kultur mal die Wirtschaft kritisch hinterfragt. Genau da liegt der Unterschied zwischen einer freien Gesellschaft und repressiven Ländern. Alles kann, nichts muss.
Gutzmer: Beispielsweise in China „kann“ nicht alles. Ökonomen argumentieren, dass diese Unfreiheit ab einem gewissen Entwicklungsstadium auch das Wirtschaftswachstum bremst.
Ein plausibler Gedanke. Man sieht etwa an Russland, wie Unfreiheit die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung verhindert. Das Klima ist für Ideenproduktion einfach nicht gut. Innovation entsteht aus der Freiheit der Gedanken.
Gutzmer: Stichwort Ideenproduktion – in München soll für diese nicht zuletzt auch die Munich Creative Business Week zuständig sein.
Die MCBW spielt hier eine gigantische Rolle. Sie stellt den Standort München als Kreativhub dar. Ich sehe die Creative Business Week als Leistungsschau, in der die Kreativen der Stadt zeigen, was sie können.
Gutzmer: Ist die MCBW unsere South by Southwest?
Ach, von solchen Gedankenspielereien halte ich wenig. Wir brauchen keinen Klon vom Silicon Valley, der dann Isarvalley heißt. Und wir brauchen keine Kopie der South by Southwest. Wir sind München. Die MCBW hat ihr eigenes Profil. Das soll sie schärfen.
Gutzmer: Wann war die MCBW für Sie erfolgreich?
Ganz einfach: Wenn sie möglichst viele Menschen erreicht.
Hansky: Wichtig ist doch, dass man um ein spannendes Programm immer wieder ringt, dass man neue Dinge ausprobiert. Das sagt ja schon das Motto: Why Disruption Unleashes Creativity.
Ob man das nun Disruption nennt oder Innovation, ist mir letztlich egal. Fest steht: Die MCBW ist kein Selbstzweck, und die Kreativszene darf sich nicht nur mit sich selbst befassen. Es geht um einen gesellschaftlichen Mehrwert. Den möchte ich auch dieses Jahr wieder sehen.
Dieses Interview ist im Colab Quarterly mit Schwerpunkt Creative City erschienen.