Kreativität und das Überwinden überkommener Denkmuster sind für die Wirtschaft und das Wachstum einer Stadt zentral. Aus kreativem Denken und Handeln entsteht Neues, entstehen Innovationen. Das ist auch ein Grund, warum das Munich Urban Colab im Münchner Kreativquartier verankert ist – in einem experimentellen und dynamischen Umfeld. In unmittelbarer Nähe befinden sich die Fakultät für Design der Hochschule München, das schwere reiter und das Utopia. Auch die Jutier- und Tonnenhalle nebenan werden für eine kulturelle Nutzung saniert.
Um die Vernetzung mit der Kreativszene zu stärken und die Umsetzung guter Ideen zu fördern, haben das Munich Urban Colab, die Landeshauptstadt München und der MakerSpace im Jahr 2023 erstmals zehn Stipendien an Künstlerinnen, Künstler und Kreative vergeben – mit beeindruckenden Projektergebnissen.
High-Tech Werkstatt MakerSpace: Ein Paradies für die Kreativszene
Die 1.200 Quadratmeter große High-Tech Werkstatt MakerSpace, die zu UnternehmerTUM gehört und einen Standort im Munich Urban Colab hat, ist ein Paradies für Künstlerinnen, Künstler und Kreative: Neben modernen 3D-Druckern, Lasercuttern und diversen Maschinen in der Holzwerkstatt und im Elektroniklabor gibt es eine Textilwerkstatt, Labore für IoT und Robotik. „Mit unserer technischen und infrastrukturellen Ausstattung sind wir sicher europaweit einzigartig“, schwärmt Florian Küster vom MakerSpace. Dank dieser technischen Möglichkeit können Kreative zu neuen Formen und immer komplexeren Kunstwerken gelangen. Kunst und Technologie stehen also nicht im Gegensatz, sondern in einer engen Produktivbeziehung.
Das Interesse der Münchner Kreativszene ist groß, das zeigte auch die Resonanz auf die Ausschreibung der Stipendien. Von Installationskünstlern über Produktdesigner bis hin zu Graffiti-Artists – über 50 Bewerbungen für die Stipendien gingen damals ein, die gesamte Vielfalt der Branche war vertreten. Eine Jury – u.a. besetzt mit Verantwortlichen des Kulturreferats und des Referats für Arbeit und Wirtschaft – wählte die Gewinnerinnen und Gewinner aus. Ein Einblick in drei Projekte.
Handwerk trifft High-Tech: Interior-Design-Objekte von Paula Garcia de Salazar Irurita
Paula Garcia de Salazar Irurita kombiniert traditionelle Handwerkstechniken mit moderner Technologie – zeitgenössische Handwerkskunst nennt sie das. Für ihr Designstudio RAIIZ sucht sie die Schönheit im Alltag und fertigt Objekte, mit denen sie Räume zu einladenden Orten verwandeln will. Lampen, Spiegel und Wandkunst. Im Rahmen ihres Stipendiums hat sie innerhalb von sechs Monaten eine neue Kollektion für ihre Marke entworfen.
„Zuerst zeichne ich eine Handskizze der Idee und wie ich sie umsetzen möchte. Die Einzelteile entwerfe ich mit einer Software und fertige sie anschließend mit dem Lasercutter im MakerSpace. Als Materialien nutze ich Holz und Acrylglas. Die Produktion ist High-Tech, die weitere Verarbeitung aber pure Handarbeit – beispielsweise das Streichen und Zusammenbauen der Elemente.“ Jedes Objekt ist ein Unikat, kann aber durch die Wahl von Größe und Farbe individualisiert und nach Maß gefertigt werden. Ihre Inspiration findet sie in der Architektur, in Büchern aber auch in München selbst. „Manche Farben, die ich verwende, entspringen beispielsweise den Häuserfassaden in München.“
Nach ihrem Stipendium kooperierte die gebürtige Spanierin im Rahmen einer Veranstaltung außerdem mit dem spanischen Möbelhersteller esPattio, der im Munich Urban Colab einige Bereiche gestaltet und neue Arbeitskonzepte entwickelt hat – ein perfektes Match für beide Seiten.
Geschichten und Zukunftsvisionen erlebbar machen: Project Mapping von André Eckert
„Ich will Geschichten und Zukunftsvisionen wirklich erlebbar machen.“ So beschrieb André Eckert sein Projekt, in dem er sich dem faszinierenden Feld des Project Mappings widmete. Ein Verfahren, bei dem mithilfe eines Projektors beliebig strukturierte Oberflächen beleuchtet und zum Leben erweckt werden können – in seinem Fall eine kleine Figur. Im ersten Schritt skizzierte er die Figur auf Papier und stellte anschließend mithilfe des Lasercutters im MakerSpace einen ersten Prototyp her. Auf diesen lassen sich dynamische Inhalte projizieren, die Kombination aus Licht, Farbe, Bewegung und Klang sorgt für ein fesselndes Erlebnis.
Das sechsmonatige Stipendium reichte nicht aus, um das ambitionierte Projekt abzuschließen. Am Ende präsentierte André Eckert im Munich Urban Colab aber eine erste Animation, die zeigte, was mit Motion Design und Project Mapping möglich ist. „Viele High-Tech-Maschinen sind in München und Umgebung nicht einfach zu bekommen, die Infrastuktur im MakerSpace hat die Umsetzung dieses Prototyps erst möglich gemacht.“ Mehr zu seiner Arbeit als freier Art Director und Gründer von Micropol gibt es auf seiner Website: www.micropol.de
Urban Art: Joerg Solzbacher verewigt Freddie Mercury vor dem Munich Urban Colab
Wer durch München läuft, begegnet immer wieder der Kunst von Jörg Solzbacher. Das Portrait von Freddie Mercury auf dem alten Klohäuschen am Münchner Holzplatz stammt von ihm. Beim Kunst- und Kulturprojekt Sugar Mountain war er an der eindrucksvollen Fassadengestaltung beteiligt, bei dem er mit seinem Team von „Graphism“ den Entwurf der Londoner Künsterlin Lakwena Maciver umsetzte. Und auch das 220qm große Urban Art-Gemälde an der Fassade des Leonrodhauses, nur wenige Meter vom Munich Urban Colab entfernt, hat er gemeinsam mit Anna Sette und Karim Dabbèche entworfen und realisiert. Der Fokus seines Schaffens liegt auf der Gestaltung öffentlicher Orte. In der Zeit seines Künstler-Stipendiums fokussierte er sich auf die Gestaltung von Fassaden mittels Schablonen.
„Der Öffentliche Raum ist meist trostlos, grau oder mit Tags beschmiert. In meinem Projekt habe ich den Fokus auf die Entwicklung von camouflageartigen Mustern gelegt, die eintönige Flächen und Gebäude spannender und schöner machen.“ Mithilfe der Lasercutter und Schneideplotter im MakerSpace fertigte er die Schablonen, sogenannte Stencils, für verschiedene Muster und Schriften an. Dabei experimentierte er mit unterschiedlichen Materialien für seine Sprühvorlagen.
Als er die Ergebnisse seines Stipendiums Ende 2023 präsentierte, kam ihm eine Idee: Direkt neben dem Munich Urban Colab wird die Tonnenhalle aufwendig saniert, in der ein Aufführungsort mit u.a. einem Multifunktionssaal, Tanzstudios, Büros und einem Gastronomiebereich entstehen soll. Ein Bauzaun trennt die Baustelle und das Munich Urban Colab. Warum den Bauzaun also nicht gleich mit den Schablonen umgestalten?
Gesagt, getan: Joerg Solzbacher und sein Team von graphism erstellten den Entwurf, in dem Freddie Mercury und der ikonische Song „Play the Game“ eine zentrale Rolle spielen. Warum Freddie? Der legendäre Sänger steht für Kreativität und Freiheit, vor allem aber nimmt die Gestaltung so direkt Bezug auf die Adresse des Munich Urban Colab. Schritt für Schritt wurde per Hand grundiert, bemusterst und gesprüht. Entstanden ist ein fantastisches Werk, das die Freddie-Mercury-Straße noch lebendiger und bunter macht.
Das Projekt mit Vorzeige-Charakter wurde vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München unter Leitung von Anton Biebl gefördert.
Stipendien gehen in die nächste Runde
Auch in diesem Jahr wurden wieder zehn Stipendien an talentierte Künstlerinnen und Künstler vergeben, die seit August an ihren Ideen und Visionen arbeiten.
„Künstler*innen und Kreative haben einen anderen Blick auf Fragestellungen, eine andere Herangehensweise: „out of the Box“, unvoreingenommen, Grenzen überwindend und gleichzeitig ästhetisch gestaltend. Durch diese Qualitäten waren und sind die Stipendien im Munich Urban Colab ein Gewinn für beide Seiten: die Künstler*innen und Kreativen nutzen die technischen Möglichkeiten des MakerSpace, um eigene Projekte weiterzuentwickeln. Gleichzeitig inspirieren diese schöpferisch tätigen Akteur*innen die Community im Munich Urban Colab“, erklärt Susanne Mitterer, Stellvertretende Leitung Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Landeshauptstadt München, die Fortsetzung der Stipendien.
Zusätzlich soll der Austausch mit der Kreativbranche auch weiterhin durch regelmäßige Pop-Up-Ausstellungen und Veranstaltungen – wie beispielsweise die Paneldiskussion zum Thema „Creative City“ im Rahmen der Munich Creative Business Week – intensiviert werden.